Was würde uns in Rumänien erwarten? Ein hoffnungsfroher Blick in die Zukunft, nachdem die Präsidentschaftswahlen am 18. Mai entschieden waren und damit die enge Anbindung an die EU und die Nato bestätigt wurden? Ein banger Blick aus der Warte der Unterstützer des unterlegenen Kandidaten? Wie erleben die Menschen die Situation? Was brauchen sie? Wie kann sich das Land entwickeln?
Timișoara war das Ziel der Friedensreise nach Rumänien. Im Nordwesten, nur ein paar Dutzend Kilometer von den Grenzen nach Serbien und Ungarn entfernt, liegt Timișoara inmitten fruchtbaren Ackerlandes am Rande des Banats, geographisch Teil der Ungarischen Tiefebene. Nicht nur geographisch näher an Budapest und Belgrad als an Bukarest gelegen, auch kulturell und geschichtlich war Timișoara als Teil der Habsburgermonarchie Mitteleuropa verbunden. 1919/1920 wurde die Region dem neu dimensionierten Rumänien angegliedert und stand ab 1948 wie das ganze Land unter kommunistischer Herrschaft. Hier, von Timișoara aus, nahm 1989 die Revolution, die schließlich zum Sturz Nicolae Ceaușescus führte, ihren Ausgang. Und heute?
Diese kurz angerissenen geschichtlichen Epochen lassen sich wie exemplarisch an der Stadtarchitektur ablesen, wie zum Beispiel am zentralen „Platz des Sieges“. Dieser langgestreckte Boulevard mit Grünanlagen, Blumenrabatten und Springbrunnen wird stirnseitig von der orthodoxen Kathedrale der „Heiligen drei Hierarchien“ und gegenüber von der Nationaloper begrenzt. Die Häuserzeilen zeigen schön und ausgewogen gegliederte und geschmückte Jugendstil-Fassaden, aber auch karg-funktionale Bauten der sozialistischen Ära.
Hatten wir zunächst Eindrücke der Menschen auf der Straße gesammelt, so eröffnet sich mit dem Betreten der Kathedrale eine weitere Frage: Wie zeigt sich das Verhältnis der Menschen zur Religion?
Der erst 1940 fertiggestellte Kirchenbau beeindruckt uns mit einem detailreich ausgeschmückten, hohen, weiten Innenraum. Die Wirkung im Inneren entspricht allerdings nicht unbedingt dem himmelhoch-strebenden Eindruck, den die Kirchenarchitektur durch ihre vertikalen Strukturen von außen vermittelt. Trotz der Kuppel über der Vierung und dem Lichteinfall durch eine aufsitzende Laterne vermissen wir ein Gefühl des Aufstrebens, der Leichtigkeit. Eine Art Schwere oder Bedrücktheit scheint im Raum zu leben.
Gemäß dem orthodoxen Ritus sind verschiedene Ikonen und natürlich die Heiligenbilder am goldverzierten Hauptaltar zur Verehrung und Anbetung gegeben. Die Menschen nehmen dies wahr und verharren demütig im Gebet – erreichen die Gebete der Menschen die Verstorbenen?
Wir wollen Kontakte und Beziehungen zu den Menschen, zu den Einwohnern der Stadt, knüpfen. Auf gemeinsamen Themengebieten, wie dem Tischtennis beispielsweise. Wir suchen eine Tischtennisanlage auf und Heinz Grill und weitere Reise-Kollegen bestreiten wohl einige Spiele mit Einheimischen – aber eine rechte, aufbauende, perspektivische Beziehung will sich nicht einstellen. Auch andere Initiativen verlaufen wie im Sande. Warum scheinen sich hier, trotzdem die Menschen grundsätzlich freundlich und hilfsbereit eingestellt sind, keine aufbauenden und weiterführenden Bezüge herstellen zu lassen?
Es scheint, als würden sich unter den Lasten der Vergangenheit und den Turbulenzen des aktuellen Regierungsumsturzes Kontakte zunächst nicht leicht herstellen lassen.
Was bleibt uns „Friedens-Reisenden“?
In diesem Moment der Zeitgeschichte bleibt die bestmögliche, realistische und begleitende Wahrnehmung. Was braucht das Land? Was brauchen die Menschen? Was brauchen die Verstorbenen?
Diese Fragen begleiten uns bei allen Begegnungen und Erlebnissen in Timișoara – und darüber hinaus auch noch zurück in der eigenen Heimat.
Eine Antwort gibt Heinz Grill: „Es braucht einen spirituell-bewussten Ansatz, konkrete, bewusste, aufbauende Schritte“ Die traditionell gepflegte Mystik brauche eine konkrete, spirituelle und bewusste Erweiterung. Dazu könne man durchaus überlegen, in Rumänien den „Neuen Yogawillen“ zu unterrichten.
Müssen wir die Reise als fruchtlos betrachten, wenn keine konkreten „Ergebnisse“ entstanden sind? Eine Verbindung ist dennoch geschaffen – von jedem Einzelnen von uns, zum Land, zu seinen Menschen. Und ebenso die selbstgewählte Aufgabe, diese Verbindung weiter zu pflegen, auch aus der Ferne und auch mit weiterführender Gedanken- und Bewusstseinsbildung.
Heinz Grill spricht davon, dass dennoch während und durch den Aufenthalt „Wärmeäther“ geschaffen werden konnte.

